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Der Blick aufs Wesentliche
(Text von Dr. Sabine Komm, erschienen im „foyer“ Nr. 60)
Wenn Andreas Fritsch in Siena auf dem Campo steht , studiert er Menschen und sammelt dabei Inspirationen für seine Gemälde. Wichtig ist dem 46-jährigen Künstler, was er aus dem Augenwinkel wahrnimmt.„Mich interessiert die Situation. Wie die Leute im Süden auf den Plätzen stehen, so entspannt. Das findet man bei uns nirgends\", sagt Fritsch. Der freischaffende Architekt aus Rastede, spezialisiert auf Gebäude vom Arbeitsamt bis zum Einfamilienhaus, fotografiert solche Szenen und verfremdet sie später auf der Leinwand.Im Atelier verarbeitet er das Gesehene zu Bildern, die gleichzeitig gegenständlich und abstrakt sind. Seine Formensprache wirkt archaisch. Der Künstler, selbst ein Mensch, der lieber weniger sagt als zuviel, schätzt die Konzentration aufs Wesentliche. Museumsbesucher, Models, Tango tanzende Menschen reduziert er auf Umrisse und schattenhafte Abbilder. Diese Figuren bettet er in eine zurückgenommene Farbwelt. Fritsch bevorzugt die Grundfarben Rot, Grün und Blau, außerdem arbeitet er gern mit Ockergelb: „Die begrenzte Farbwelt ist für mich eine Herausforderung.\" Der Malprozess ist schnell und dynamisch. Die Konturen seiner Schattenfiguren zeichnet er mit Bleistift oder schwarzer Kreide auf den Malgrund. Anschließend trägt er mit Malerpinseln Acrylfarben auf. Erst auf dem Bildträger, meist Leinwand oder Holzfaserplatte, mischt er sie und zieht sie dann mit einem Japanspachtel über das Bild. So entstehen abstrakte Farbflächen, die seine an Giacometti und Schlemmer erinnernden Figuren umspielen. Und mit jedem Jahr werden seine Pinsel dicker, seine Motive abstrakter, seine Ausschnitte radikaler. Bisweilen arbeitet Fritsch auch mit Schrift. Im Hintergrund addieren sich Schablonenbuchstaben zu Wörtern wie „Piazza\" und „Amazing!\".
Bis zu 50 Arbeiten pro Jahr entstehen in seinem Atelier: Stelen mit Frauenfiguren in Mint und Rot\", die von der Reihung leben, zum Beispiel die „4 damen in duplex\" und die Serie „hinter glas\". Querformate wie „warten\" und „licht\" zeigen Alltagsszenen. Stierkämpfer und Tänzer setzt er in Hochformate und schneidet die Figuren dabei radikal an. Tuch und Stier charakterisieren einen kopflosen Torero, der dynamische Ausfallschritt ein Tangopaar. Fritsch nutzt das Internet. Seinen Motivschatz hat er elektronisch archiviert. Mehr als 1000 Bilder sind bei ihm auf Festplatte gespeichert, darunter Digitalfotos von Reisen, von seinen Kindern beim Besuch der Tate Gallery in London, von Plätzen in Italien, deren Eigendynamik ihn fasziniert. Nach neuen Motiven fahndet er mit der Suchmaschine. Oftmals sind es Modefotos, die ihn interessieren, bewegte Kleider auf dem Laufsteg, die Posen von Händen und Armen, das Bein, das aus einem fließenden Rockstoff heraustritt, der Kopf, der zurückgeworfen wird, schlanke Körper, die er in seinen Bildern „überlängt\". Daneben konzentriert er sich auf Tanz und Stierkampf, Momentaufnahmen, die er in unterschiedlichen Farben variiert.
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